AKEPE-Türkei: Euraismus als zukünftige geopolitische Leitlinie nach einem Bruch mit der EU?

AKEPE-Türkei: Euraismus als zukünftige geopolitische Leitlinie nach einem Bruch mit der EU?

http://www.hurriyetdailynews.com/a-scary-scenario-in-the-ankara-political-backstage.aspx?pageID=449&nID=107030&NewsCatID=409

Derzeit mehren sich in der AKEPE-Türkei die Anzeichen für eine steigenden Einfluss sog. „Euraisten“, die einen vollständigen Bruch mit der EU anstreben, um dafür eine enge Anbindung an Russland, China, Iran und Zentralasien zu suchen.

Euraismus ist ein seit Anfang des 21. Jahrhunderts in der Tükei bekanntes geopolitisches Konzept gegen eine Westbindung, welches nicht mit dem ursprünglichen Euraismus zu verwechseln ist, welche eine in den 1920er Jahren von russisichen Emigranten formulierte geopolitische Ideologie darstellt.

Der „klassische“ Eurasismus behauptet, dass ein von Russland dominierter „Kontinent Eurasien“ als dritter Kontinent zwischen Europa und Asien existiert, der in einem fundamentalen Gegensatz zur „romanisch-germanisch“ geprägten westlichen Welt steht.

In der AKEPE Türkei wird die türkische Variante des Euraismus zum einen in Teilen der islamistischen AKEPE vertreten, die immer gegen eine Westbindung waren.

Zum anderen um einen kleinen Kreis von Politikern wie Doğu Perinçek (Parteivorsitzender der linkskemalistisch-marxistisch und nationalistisch verorteten Vatan Partisi [Vaterlandspartei] ) mit besten Verbindungen zu russischen Multiplikatoren/Ideologen wie Alexander Dugin.:

http://theunhivedmind.com/UHM/alexander-dugin-and-the-teachings-of-traditionalism/

https://www.jungewelt.de/m/artikel/297105.ein-russe-in-ankara.html

https://ukraine-nachrichten.de/faschistische-tendenzen-russischen-establishment-alexander-dugins-internationale-eurasische-bewegung_1953

Doğu Perinçek gehörte  früher aus ideologischen Gründen zu den ärgsten Gegnern des türkischen Staatspräsidenten, da sich politisch ausgelegter Islamismus und säkulare Ideologie anti-religiöser Prägung immer feindlich gegenüberstehen.

Heute aber gute Verbindungen zu Teilen der AKEPE pflegt, da sich die innenpolitische Landkarte nach dem Putschversuch im Sommer 2016 vollkommen verändert hat, weil neben den kurdischen Gruppierungen PEKEKE/TEAKE die global agierende und religiös-politisch ausgerichtete Gülen Hareketi/Hizmet Bewegung von Fethullah Gülen inzwischen zur terroristischen Organisation FETÖ (Fethullahçı Terör Örgütü) und Staatsfeind Nr.1 erklärt wurde, die auf nationaler, europäischer und globaler Ebene vollkommen zerschlagen werden soll.

Sich damit die zukünftige außenpolitische Leitlinie der AKEPE derzeit als vollkommen unklar darstellt, da schon die alte Leitlinie der Soft Power Aussenpolitik der „strategischen Tiefe“ des Politologen und AKEPE-Politikers Ahmet Davutoğlu  in der Region gescheitert ist, weil sich die AKEPE Türkei in einen Krieg im Inland und ash-Sham an drei Fronten verstrickt, der in einen War of Attrition ausarten kann, den das Land nicht gewinnen wird, weil schon jetzt die Terroranschläge von DAESH den Tourismus als wirtschaftliche Einnahmequelle empfindlich getroffen haben, während sich das Land entlang ethnisch-religiöser Bruchstellen immer mehr spaltet.

Siehe hierzu bez. der von DAESH beabsichtigten Folgen terroristischer Akte als Form strategischer Kommunikation zur Erzwingung einer Verhaltensänderung, die sich etwa an potentielle Urlauber aus dem Westen richtet, damit diese nicht in der Türkei, Tunesien, Ägypten et al. ihren Urlaub verbingen, die Einschätzung von Dr. Amer Albayati (ILMÖ) und mir nach dem Anschlag in Istanbul im Januar 2016:

„Albayati/Tartsch sehen den Anschlag in Istanbul, wenn sich die Urheberschaft von DAESH bestätigen sollte, als Fanal und Ausgangspunkt weiterer Entwicklungen:
Erstens als den Beginn vermehrter Anschläge auf westliche Touristen in muslimischen Ländern als Soft Targets, um nicht nur einen hohen Bodycount an Opfern zu erzielen, damit ein globales Medieninteresse erzeugt wird.

Sondern auch, um die Tourismusbranchen der jeweiligen Länder zu treffen. Das haben die Attentate 2015 in Ägypten und Tunesien gezeigt, die seither massive ökonomische Verluste hinnehmen mussten, was zu politischer Instabilität und sozialen Eruptionen führt.
Zweitens der Versuch, durch Terrorismus als Kommunikationsstrategie die politische Stimmung in den westlichen Ländern im Sinne von DAESH zu verändern, damit die jeweilige Bevölkerung die Regierungen unter Druck setzt, damit diese ihre militärische Unterstützung im Kampf gegen DAESH aufgibt, wenn der Bodycount von Opfern durch Anschläge eine bestimmte Höhe überschreitet. Der jetzige Anschlag hat primär deutsche Urlauber getroffen. Ein Land, welches sich in Syrien und Irak gegen DAESH und al-Qaidah engagiert. So sind deutsche Tornados der Luftwaffe auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik stationiert, von wo aus Aufklärungseinsätze geflogen werden. Ob der Anschlag daher gezielt deutschen Urlaubern galt, kann derzeit nicht bestätigt werden. Gleichzeitig kann der Anschlag auch der Versuch von DAESH darstellen, bestehende Ressentiments gegen Muslime in Europa und Nordamerika gezielt zu verstärken, um eine gesellschaftliche Spaltung entlang ethnisch-religiöser Bruchlinien voranzutreiben.

Drittens eine bewusste Eskalation der militärischen Situation durch DAESH zur vermehrten Mobilisierung der globalen Anhängerschaft für eine Hidschra als Foreign Fighter in das Kalifat und die Ausübung der gewaltsamen Dschihadismus in Europa/Nordamerika, da das Kalifat in ash-Sham vermehrt in die Defensive gerät.“

http://www.initiativeliberalermuslime.org/pressemitteilungen/13-01-2016/

Entweder setzen sich die Kreise durch, die weiterhin, trotz aller bestehenden Problemlagen und derzeitiger Irritationen zwischen AKEPE-Türkei und EU, eine engere Bindung an Europa anstreben, da die Türkei schon wirtschaftlich auf den Export in den EU Markt und die Subventionen angewiesen ist, weil das Land vor einer wirtschaftlichen Rezession steht, deren sozio-ökonomische Folgen durch steigende Arbeitslosenzahlen, ins Ausland abwanderndes Kapital und verminderten Konsum die AKEPE Regierung in Schwierigkeiten bringen wird.

Oder es setzen sich die türkischen Euraisten durch, womit sich die AKEPE-Türkei langfristig nach dem Bruch mit Europa auf politischer und wirtschaftlicher Ebene an Russland, China, Iran und Zentralsien anbinden würde.

Damit könnte sich die AKEPE-Türkei, welches sich derzeit in der Transformation in eine vom sunnitischen Islam in AKEPE Auslegung überformte 2. türkische Republik mit postkemalistisch-nationalistischer und neoosmanischer Identität befindet, politisch imer mehr in eine Art türkisches Russland wandeln, da sich beide Regierungssysteme mit autoriär regierenden Staatspräsidenten und faktischen politischen Herrschern charismatischer Prägung (nach Max Webers soziologischer Herrschaftslehre der Idealtypen von legaler, traditonaler und charismatischer Herrschaft) an der Staatsspitze  schon jetzt annähern.

Es wird interessant sein zu sehen, welche Fraktion sich durchsetzen wird, da die zukünftige geopolitische Ausrichtung der AKEPE-Türkei auch neue geopolitische Implikationen für Europa beinhalten wird, die man derzeit nicht absehen kann.

Zumal Europa nach dem absehbaren Rückzug der Vereinigten Staaten als Lastenträger der europäischen Verteidigung, da dessen geopolitsche Interessen sich in den pazifischen Raum verlagern, endlich aufraffen muss, eine kohärente, holistische und tragfähige GEAS (Gemeinsame Europäische Sicherheits- und Aussenpolitik) zu entwickeln, um den zukünftigen Herauforderungen begegnen zu können, da schon der gewaltsame Salafi Dschihadismus aus den Hotspots der MENA-Region (Middle East-North Africa) in Form der Foreign Fighter Rückkehrer und als angebliche Flüchtlinge eingeschleuste Kämpfer aus ash-Sham immer mehr nach Europa drängt, um hier Attentate und Anschläge zur Gesellschaftsspaltung und politischer Verhaltensänderung westlicher Regierungen im Sinne der Salafi Dschihadis auszuüben, weil sich derzeit nicht nur der dominierende politische Einfluss des Westens in asch-Scharq al-Ausat (Mittlerer Osten) 100 Jahre nach Sykes-Picot seinem Ende nähert.

Sondern die ganze Region vor grundlegenden Umbrüchen und neuen Bündnissen steht, deren Auswirkungen Europa, neben quantitativ ansteigenden dschihadistischen Terrorismus auf Low Level Niveau gegen Soft Targets, auch durch nicht mehr aufhörende transationale Wanderungsbewegungen sowohl als Folge der regionalen Stellvertertrerkriege zwischen Sunni (Saudi-Arabien, Qatar, Emirate, Türkei et al.) und Shia (Iran, libanesische Hizb(u) Illah, yemenitische Ansaar Illah/Hutiyyuun et al.), als auch eines gegen die regiobalen Regierungen und heterogenen Bevölkerungsgruppen gerichteten persistenten Salafi Dschihadismus mit genozid-kulturauslöschenden Zügen und globalen Netzwerkstrukturen um DAESH und Al Qaidah Core (AQC) auf Jahre belasten wird, da derzeit nicht nur in Syrien, sondern auch im Iraq Tatsachen geschaffen werden, die im Westen gar nicht bemerkt werden, weil man in der Regel keine vertiefenden Kenntnisse über diese Entwicklungen vor Ort besitzt.

Eventuell 2017 dazu mehr.

Dr. Thomas Tartsch

www.thomastartsch.org

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